Wenn von der Digitalisierung im Gesundheitswesen die Rede ist, dann meist nicht in Form von Erfolgsgeschichten. Nun ist das KSB vom Verband Swiss ICT mit dem Digital Economy Award ausgezeichnet worden. Was macht das KSB anders als andere Spitäler?
Innovation reimt sich auf Investition. Da wir in den vergangenen Jahren wirtschaftlich erfolgreich waren, konnten wir uns Investitionen in innovative Projekte leisten. Gleichzeitig ist es uns wichtig, dass wir uns mit Partnern – Institutionen, Industriekonzernen, Start-ups etc. – vernetzen. Lerne von den Besten, lautet unser Motto.
Klingt gut, ist aber erklärungsbedürftig.
Kooperationen haben am KSB Tradition. Bereits 2007 waren wir die treibende Kraft hinter dem GNAO, dem Gesundheitsnetzwerk Aargau Ost. Das GNAO umfasst mittlerweile rund 20 Organisationen, Spitäler, Rehakliniken, Apotheken, Pflegeheime, Spitexverbände usw. In diesem Gremium tauschen wir uns regelmässig aus. Niemand kann alle Leistungen im Gesundheitswesen abdecken. Indem wir aber mit den Besten kooperieren, stellen wir die bestmögliche Versorgung sicher.
Wie viele Kooperationen ist das KSB eingegangen?
Wir haben über 50 Kooperationen. Viele davon entstanden im KSB Health Innovation Hub, den wir 2017 ins Leben gerufen haben. Wir wollten damit sicherstellen, dass wir unsere Vision von einem modernen, neuen Spital umsetzen können.
Weshalb braucht es dazu einen Health Innovation Hub?
Wenn man ein neues Spital baut, dann vergehen von der Planung bis zur Inbetriebnahme im besten Fall zehn Jahre. Man läuft also Gefahr, dass man ein Spital bezieht, das zwar neu, aber in der Struktur trotzdem schon veraltet ist. Denn die Medizintechnik macht enorm rasante Fortschritte. Unser Ziel war es, das Spital, das wir im Herbst 2024 beziehen werden, noch während der Bauphase laufend zu optimieren. Dazu kommt, dass wir bewusst neue Wege gehen wollten. Insbesondere der Austausch mit branchenfremden Experten bietet oft ganz neue Perspektiven. Deshalb gründeten wir den Health Innovation Hub, wo wir mit Start-ups und institutionellen Partnern neue Projekte und Ideen, vor allem im Bereich der Digitalisierung, auf ihre Praxistauglichkeit testen. Immer mit dem Ziel, den Neubau zu optimieren.
Sie arbeiten also hauptsächlich mit kleinen Start-ups zusammen, die auf den grossen Durchbruch hoffen?
Nein, nicht nur. Eine der ersten Partnerschaften entstand zusammen mit einer Weltfirma: Siemens Healthineers. Wir wollten von Siemens nicht nur moderne Radiologiegeräte für unser Spital kaufen, sondern diese gemeinsam weiterentwickeln. Mittlerweile sind wir eines von weltweit acht Referenzspitälern von Siemens Healthineers. Gemeinsam haben wir Forschungsprojekte getätigt und neue Ideen realisiert. Etwa das Virtual Cockpit, für das wir gemeinsam mit Siemens Healthineers mit dem eingangs erwähnten Digital Economy Award ausgezeichnet wurden.
Wie funktioniert dieses Cockpit?
Ein Radiologe kann dadurch gleichzeitig drei MRI-Geräte an unterschiedlichen Standorten steuern. Damit können wir dem Fachkräftemangel in der Branche entgegenwirken und unsere Effizienz steigern. Der Experte in unserem Aussenstandort KSB City steuert nicht nur die Geräte vor Ort, sondern auch in Leuggern und Brugg. Wenn er bei der Befundung eine Zweitmeinung benötigt, kann er die Organspezialisten im Spital zuschalten. Mittlerweile sind schon Delegationen aus aller Herren Ländern, von Italien bis Thailand, zu uns gekommen, um dieses Cockpit zu begutachten.
Wird es im KSB-Neubau auch ein solches Vorzeigeprojekt geben?
Zusammen mit Siemens Building wollen wir auch in unserem Spital-Neubau neue Massstäbe setzen. Im ganzen Gebäude werden 8000 Sensoren eingebaut, sodass eine raumgenaue Patientenführung möglich ist und man medizinische Geräte jederzeit orten kann.
Wozu soll das gut sein?
Mitarbeitende in einem Spital sind stets auf der Suche. Wo ist das Ultraschallgerät geblieben? Wo ist ein Rollstuhl für den Patienten? Dank der Geräteordnung haben unsere Mitarbeitenden in Zukunft per App stets den Überblick. Da auch jedes Patientenbett mit einem Chip ausgestattet ist, wird auch unsere Bettendisposition effizienter. Nicht nur logistisch, sondern auch wirtschaftlich bietet dieses System grosse Vorteile. Unnötige Anschaffungen von Geräten können vermieden werden. Die Zeiten, wo teures Material ungenutzt irgendwo herumsteht, sollten dann dank der Smart-Hospital-Plattform von Siemens Building der Vergangenheit angehören.
In der Theorie tönt das gut. Klappt es auch in der Praxis?
Das hoffen wir. Wir kaufen von Siemens kein pfannenfertiges Produkt. Vielmehr haben wir das Projekt gemeinsam vorangetrieben. Zuerst haben wir in einer Werkstätte erste Versuche vorgenommen. Dabei stand die Frage im Zentrum: Funktioniert die Datenübermittlung vom Gerät über den Sensor auf die Plattform? Nachdem dies sichergestellt worden ist, haben wir das System im Partnerhaus II, das wir im Sommer 2023 eröffnet haben, ausgerollt. Die bespielte Fläche stieg so von 80 auf 5000 Quadratmeter an. Nun sind wir bereit, damit die Digitalisierung im Neubau mit seinen 80 000 Quadratmetern auf ein neues Niveau zu hieven.
Gibt es noch weitere solcher Projekte?
Ja, da ist vieles im Gang. Mit der Firma ZippSafe haben wir beispielsweise eine Tasche kreiert, den Zipp Bag, in welchem die Patienten ihr Hab und Gut stets mit sich führen können, womit vor allem die Prozesse in der Same Day Surgery nachhaltiger, bequemer und effizienter werden. Mit Guidoo sind wir in der OP-Robotik tätig, für Olympus dienen wir als Referenzspital in der OPAusstattung, mit HeyPatient arbeiten wir an der Digitalisierung der Anmelde- und Informationsprozesse, und mit Atexxi haben wir einen elektronischen Medikamentenschrank entwickelt. Diese Firma erobert damit gerade den europäischen Markt.
Die Vorteile von solchen Kooperationen liegen auf der Hand. Was sind die Nachteile?
Wer neue Wege geht, betritt Neuland. Das ist oft mit finanziellen Risiken verbunden. Nicht jedes Projekt verläuft so erfolgreich, wie man es sich anfangs erhofft. Da wir wirtschaftlich erfolgreich waren, konnten wir uns solche Aktivitäten bisher leisten. Mit Geld allein ist es jedoch nicht getan. Es braucht auch eine innovative Grundhaltung. Und man muss offen sein für Neues. Das KSB ist es sich seit jeher gewohnt, sich beweisen zu müssen. So ist vom Verwaltungsrat über die Geschäftsleitung und Ärzteschaft bis zur Pflege ein Nukleus entstanden, der Freude an der Innovation und den Mut hat, Wagnisse einzugehen.
Wo sehen Sie die Grenzen dieser Kooperationen?
In erster Linie bei den Finanzen. Wir können nur begrenzt Geld in solche Projekte investieren, zumal sich die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen laufend verschlechtern. Selbst für ein wirtschaftlich so gut aufgestelltes Spital wie das KSB sind Ebitda-Margen von über 10 Prozent mittlerweile illusorisch. Dank dem persönlichen Engagement der Mitarbeitenden kann man trotzdem viel herausholen. Innovation darf aber niemals ein Selbstzweck sein. Der Nutzen für Patienten und Mitarbeitende steht stets im Zentrum.
In einem Satz: Welches ist der positivste Aspekt an Ihren Kooperationsprojekten?
Work with the best: Das ist inspirierend und bringt unser Spital voran.
Und was fällt negativ ins Gewicht?
Ein Netzwerk muss gepflegt werden. Und der Aufwand führt nicht immer zum Ziel.
Letzte Frage: Wie wählen Sie Ihre Kooperationspartner aus?
Dank unserem Health Innovation Hub werden fast täglich Ideen an uns herangetragen. Ob es dann tatsächlich zu einer Kooperation kommt, hängt von vielen Faktoren ab. Das wichtigste Kriterium ist dabei: Es muss für alle Beteiligten eine Win-win-Situation entstehen. Und die Köpfe müssen zusammenpassen.