Die «Taste Innovation Show» der Anuga 2023 hat prämierte Topinnovationen ausgestellt und gilt als Trendbarometer. Die Produzenten setzen vermehrt auf pflanzliche Proteine sowie Ballaststoffe. Im Bereich der Proteinprodukte stehen Fischalternativen im Vordergrund. Ein weiterer Schwerpunkt sind Neuerungen mit gesundheitlichem Zusatznutzen. Bei Getränken stehen funktionelle Inhaltsstoffe und pflanzliche Zutaten aus nachhaltigem Anbau im Fokus. Und «Bio» gewinnt dank des wachsenden Gesundheits- und Umweltbewusstseins weiter an Bedeutung.
Die meisten traditionellen Schweizer Kochrezepte basieren auf tierischen Lebensmitteln (Fleisch, Wurst, Eier, Milchprodukte). Aber im Zug des aktuellen Vegantrends offeriert die Lebensmittelindustrie immer mehr Ersatzprodukte, die sensorisch stetig näher ans Original kommen. Auch auf zahlreichen Rezept-Plattformen mehren sich Anleitungen, klassische Speisen «tierfrei» zuzubereiten. Hierbei muss nicht ausschliesslich auf Hightech zurückgegriffen werden, sondern auch natürliche Zutaten wie Pilze, Hülsenfrüchte, Nüsse, Hafer, Algen etc. können überzeugen. Vegane Alternativen von Traditionsspeisen werden gemäss der Anuga- Trendprognose zum Standard unserer kulinarischen Repertoires werden. So ist beispielsweise «Chili sin Carne» inzwischen genauso anerkannt wie «Chili con Carne».
Proteinalternativen boomen
Bei klassischen Molkereiprodukten setzen Hersteller vor allem auf neue Geschmacksrichtungen, wie Käse mit grünem oder rotem Pesto, auf proteinangereicherte Produkte sowie auf regionale Zutaten wie Kräuter oder Heumilch. Und pflanzliche Milch-Alternativen auf Basis von Soja, Hafer, Mandeln gewannen an der Anuga weiter an Bedeutung.
Dabei ist besonders in der Careküche zu beachten: Die Nährstoffe von Pflanzendrinks sind gemäss einem neuen Bericht der Forschungsanstalt Agroscope bei Weitem nicht gleichwertig mit jenen von Kuhmilch: «Dies gilt sowohl für den Proteingehalt wie auch für die -qualität. Lediglich Pflanzendrinks auf Sojabasis weisen einen mit Milch vergleichbaren Proteingehalt auf. Der Vitamin- und Mineralstoffgehalt wird bei den meisten pflanzlichen Getränken nur durch Anreicherung erreicht.»
Im Fleischsegment werden dank des Trends zu gesunder Ernährung, Regionalität, Nachhaltigkeit und Tierwohl viele vegane und vegetarische Fleischalternativen lanciert.
Dies auch um den wachsenden Markt der Flexitarier zu bedienen. Die Gründe für die Fleischskepsis sind gesundheitliche und umweltbezogene Motive sowie das Tierwohl.
Die Firma Planted Foods gilt als Innovationsführer bei veganen Fleischalternativen und produziert diese ohne Zusatzstoffe. Eine neue Technologie des Zürcher Start-ups ermöglicht es, auch grössere Fleischstücke herzustellen. Die Firma wagt sich sogar an anspruchvolle Imitationen und lancierte kürzlich «planted.duck», eine vegane Entenfleischimitation aus Erbsen, Hafer und Sonnenblumen – ohne Zusatzstoffe. Sie schmeckt gemäss der Werbung authentisch nach Ente im asiatischen Stil.
Poulet ist magerer als vegane Alternativen Der Vegantrend bewirkt, dass sich Metzgereien in Richtung von generellen Proteinspezialisten entwickeln und auch alternative Produkte auf Basis von Soja, Weizen oder Erbsen etc. anbieten. Das Konsummagazin Saldo prüfte kürzlich Fleischalternativen. Die Erkenntnisse sind wichtig für Careköche: Bei den meisten der geprüften Vegi-Produkte genügt eine 100-Gramm-Portion, um bis zur Hälfte der täglich benötigten Menge Eiweiss und einen Drittel des empfohlenen Tagesbedarfs an Eisen zu decken. Aber kein Vegi- Geschnetzeltes war so fettarm wie Pouletfleisch.
Auch Wildbret ist im Trend. Auf Rezeptportalen findet sich eine Fülle klassischer und innovativer Wildgerichte, von niedergegartem Hirschgulasch über Wildschweinburger bis zu Rehfilet. Auch dies ist Ausdruck eines gesteigerten Bewusstseins für Gesundheit, Regionalität, Nachhaltigeit und Tierwohl. In der Schweiz stammt Wild immer öfter aus Zuchten: Sika-, Damm- und Rothirsche, vereinzelt sogar Rentier. Wildbret (auch aus Zucht) besitzt viele Spurenelemente wie Selen, Eisen und Zink. Es ist cholesterinarm und frei von Medikamenten. Allerdings kann Jagdwild mit Schwermetallen wie Blei belastet sein oder Krankheitserreger wie Trichinen, Salmonellen und Viren (z. B. Hepatitis E beim Wildschwein) enthalten.
Hybrid-Backwaren im Trend
Ein europaweiter Trend bei Brot und Backwaren ist die zunehmende Vielfalt an internationalen Spezialitäten. Und stark im Kommen ist das «Kreuzen» von Backwaren. In den USA werden diese Hybrid- beziehungsweise Zwitterfoods schon seit Jahren gehypt. Vorreiter war der Cronut, eine Kombination von Croissant und Donut. Neuere Beispiele sind Duffin (Kreuzung aus Donut und Muffin), Bruffin (Brioche X Muffin) und Cragel (Croissant x Bagel). Im Prinzip geht es darum, altbewährten Klassikern zu einem Upgrade zu verhelfen dank neuen frechen Kombinationen.Gemäss Anuga geht bei Backwaren der «Free from»-Trend weiter. Während diese Diätprodukte ursprünglich auf Allergien und Unverträglichkeiten gegen Gluten oder Laktose abzielten, expandieren sie ins breitere «Good for you»-Segment und werden öfters von Nicht-Allergikern konsumiert. Glutenfrei ist dabei am stärksten verbreitet, und bei Backwaren gibt es hier am meisten Neulancierungen – viele aber auch bei proteinangereicherten Low-carb-Backwaren.
Dr. Guido Böhler hat an der ETH Lebensmittel- Technologie studiert und doktoriert. Rund 20 Jahre arbeitete er als Qualitätsmanager in der Lebensmittelindustrie.