Der Wettbewerb zwischen Pflegeeinrichtungen nimmt zu: Im Jahr 2017 gab es in der Schweiz 1561 stationäre Pflegeeinrichtungen mit rund 99 000 Plätzen. Durch
das ganze Jahr hindurch wurden in den Schweizer Pflegeeinrichtungen rund 158 000 Personen betreut (BFS 2018a). Die Zahl der Bewoh nenden von Pflegeeinrichtungen stieg zwischen 2013 und 2017 zwar um fast 8 Prozent an, jedoch fällt der Anstieg im Vergleich zur ambulanten Alterspflege (ein Plus von 33 Prozent) deutlich niedriger aus. (BFS 2018b; Credit Suisse 2015). Die Alters- und Pflegeeinrichtungen sehen sich also einer zunehmenden Konkurrenz nicht nur durch die regional anhaltende Kapazitätsausweitung anderer Alters- und Pflegeeinrichtungen, sondern vermehrt auch durch Spitex-Leistungen ausgesetzt.
Oft muss es schnell gehen
Auch wenn der Wechsel in eine institutionalisierte Einrichtung einer der prägnantesten Einschnitte im Leben eines Menschen ist – häufig fehlt eine frühzeitige
Auseinandersetzung mit dem Thema. Die Folge: Der Informationsstand über die verschiedenen Wohn- und Pflegeangebote ist gering. Der Heimeinzug
kommt oft überraschend (Mischke et al.,2015, Seite 73). Schweizweit tritt etwa ein Drittel der Neu-Klientinnen und Klienten nach einem Spitalaufenthalt in ein
Pflegeheim ein (BFS 2015). Befindet sich die betroffene Person in einer akuten Situation– unfall- oder krankheitsbedingt – vermindert sich die Zeit des Entscheidungsprozesses auf Tage oder wenige Wochen. Die Entscheidung selbst wird in dieser Situation oftmals nicht von der betroffenen Person getroffen, zentrale Stakeholder sind vielmehr der Partner, die Kinder oder die betreuenden Ärzte (Martin Gibler et al. 1998, Seite 44–54).
Kein Risiko bei der Wahl der richtigen Pflegeeinrichtung
Besonders bei Dienstleistungen – zu denen auch die Angebote der ambulanten und stationären Altenpflege zählen – ist es zentral, Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Anbieters zu haben. Was man von einem Anbieter erwartet, hängt stark von den individuellen Bedürfnissen, den persönlichen Erfahrungen in der Vergangenheit (beispielsweise durch den Besuch von Angehörigen in einem Pflegeheim oder durch Kontakte zu privaten und öffentlichen Spitexeinrichtungen) und von der Mund-zu-Mund-Kommunikation ab. Für Pflegeinstitutionen wird es wichtiger, ihre spezifische Dienstleistungskompetenz zu dokumentieren und ihr spezifisches Fähigkeitspotenzial auszuweisen (vergleiche auch Meffert und Bruhn 2009). Mit einem umfassenden Internetauftritt mit Bildern der Räumlichkeiten
und Mitarbeitendenporträts sowie «Tagen der offenen Tür» soll der Bekanntheitsgrad gesteigert und das Vertrauen in die Institution erhöht werden. Bei der
Mund-zu-Mund-Kommunikation spielt neben persönlichen Erfahrungsberichten zunehmend auch der Austausch übers Internet eine wichtige Rolle (Rodriguez-Voltes
et al. 2018).
Was macht eine gute Pflegeeinrichtung aus?
Die Familie erwartet eine qualitativ gute Versorgung für die betroffene Person, aber auch Entlastung für sich selber (Ryan und Scullion 2000, Seite 1187–1195).
Die Studie «RESPONS 2015» von der Berner Fachhochschule und dem Institut für Pflegewissenschaft der Universität Basel lieferte erstmals schweizweit repräsentative Daten zur Pflegequalität in Pflegeeinrichtungen. Dabei wird die subjektive Einschätzung der Lebensqualität durch Bewohnerinnen und Bewohner
als Indikator der Pflegequalität verstanden. Die Lebensqualität setzt sich gemäss dieser Studie aus folgenden Dimensionen zusammen (Sommerhalder et al. 2015):
❱❱ Komfort
❱❱ Alltagsgestaltung
❱❱ Privatsphäre
❱❱ Autonomie
❱❱ Würde
❱❱ Personenzentriertheit
Bewertungsplattformen gewinnen an Einfluss
Gerade für Personen, die noch keine Erfahrungen mit einer spezifischen Dienstleistung haben, können Online-Bewertungen eine entscheidende Rolle spielen.
Dass die Online-Reputation gerade auch im Gesundheits- und Pflegebereich an Bedeutung gewinnt, unterstreicht eine Untersuchung von NRC Health bei 3000 Patienten in den USA. Mehr als ein Drittel der Befragten sagt, dass die Online-Reputation für sie bei der Arztwahl zentral ist. 60 Prozent haben nach eigenen Angaben schon einmal einen Arzt auf Basis von positiven Online-Bewertungen ausgesucht. Und sogar 83 Prozent trauen demnach Online-Bewertungen mehr als persönlichen Empfehlungen. Laut NRC Health trauen Patienten Bewertungen mit mindestens sieben Ratings und ergänzenden Kommentaren (Ibbotson, 2018).
Bewertungsportale in der Pflege noch in den Startlöchern Inwieweit solche Vergleiche die Wahl der Spitex- oder Pflegeinstitution in der Schweiz beeinflussen, ist noch nicht grundlegend erforscht. Während sich interne Zufriedenheitserhebungen bei verschiedenen Stakeholdern sowohl bei stationären als auch ambulanten Pflegeinstitutionen im Hinblick auf die interne Qualitätssicherung etabliert haben, nutzen die Einrichtungen die aktive Vermarktung dieser Ergebnisse bisher wenig. In
der stationären und ambulanten Altenpflege sind zwar organisationsspezifische Bewertungen (beispielsweise auf Google) verbreitet, befinden sich Vergleichs- beziehungsweise Bewertungsportale wie zum Beispiel www.welches-pflegheim.ch oder www. orahou.com noch in den Startlöchern.
Pflegeeinrichtungen nutzen Befragungen bisher wenig zur Bewohnergewinnung
Ein Grossteil der Pflege und Altersheime in der Schweiz setzt auf periodische Kundenzufriedenheitsmessungen. Diese haben eher eine summarische Vogelperspektive und setzen nicht an den verschiedenen Kontaktpunkten einer Customer Journey an. Im Bereich von Pflegeeinrichtungen wäre das zum Beispiel
die Kundenbeziehung von der ersten Kontaktaufnahme zwischen Pflegeheim und Klienten bis hin zum Ausscheiden aus dem Pflegeheim mit der Auflösung
der Wohneinheit und der Nachbetreuung von Angehörigen im Todesfall von Bewohnerinnen und Bewohnern.
Keine Scheu: Befragungsergebnisse veröffentlichen
Für Pflegeeinrichtungen wird es wichtiger, sich nicht nur kontinuierlich von Bewohnerinnen und Bewohnern und deren Angehörigen evaluieren zu lassen, sondern die Ergebnisse der Befragungen zum Beispiel auf der eigenen Homepage aktiv zu kommunizieren und für die Gewinnung von neuen Bewohnerinnen und Bewohnern zu verwenden. Die Befragung sollte die Aspekte enthalten, die zukünftigen Bewohnern und deren Angehörigen bei der Wahl wichtig sind. Das Projektteam von der Fachhochschule Nordwestschweiz untersucht aktuell im Rahmen eines Forschungsprojektes in Zusammenarbeit mit senesuisse, dem Verband wirtschaftlich
unabhängiger Alters- und Pflegeeinrichtungen Schweiz, und der Swiss QualiQuest AG (www.swissqualiquest.ch), welche Faktoren die Zufriedenheit von Angehörigen und Bewohnenden entscheidend beeinflussen und wie der Befragungsprozess von den Pflegeeinrichtungen optimal gestaltet werden kann. Einen guten Überblick über mögliche Inhalte geben neben der RESPONS-Studie auch die Checklisten bei der Wahl einer Pflegeeinrichtung von Pro Senectute (www.prosenectute.ch/de/ratgeber/alltag-freizeit/wohnen/wechsel-altersheim.html), CURAVIVA (www.curaviva.ch/Fachinformationen/Heimeintritt-und-Aufenthalt/P0ZiQ/) und dem Schweizerischen Roten Kreuz (www.pflege-entlastung.ch/informationen/umzug-in-einheim).
Literatur
Bundesamt für Statistik (2015): BFS Aktuell. Indikatoren der Pflegeheime 2013. Selbstverlag.
Bundesamt für Statistik (2018a): Alters- und Pflegeheime, https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitswesen/alters-pflegeheime.html
Bundesamt für Statistik (2018b): Hilfe und Pflege zu Hause, abgerufen von https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitswesen/hilfe-pflege-hause.html
Credit Suisse (2015): Swiss Issues Branchen.Die Zukunft des Pflegeheimmarktes. Selbstverlag.
Ibbotson, Andrew (2018): Patients Trust Online Reviews as Much as Doctor Recommendations. And other shocking facts about transparency in healthcare, abgerufen von medium.com/ama-marketing-news/patients-trust-online-reviews-as-much-as-doctorrecommendations-79ecdc93f449
Martin Gibler, Karen/Lumpkin, James R./Moschis,George P. (1998): TITLE. In: The Journal of Consumer Marketing; Santa Barbara, Bd. 15, Ausg. 1, S. 44–54.
Meffert, Heribert/Bruhn, Manfred (2009). Dienstleistungsmarketing. Gabler: Wiesbaden.
Mischke, Claudia/Koppitz, Andrea/Dreizler, Jutta/Händler-Schuster, Daniela/Kolbe, Nina (2015): Eintritt ins Pflegeheim: Das Erleben der Entscheidung aus der Perspektive der Pflegeheimbewohnerinnen und Pflegeheimbewohner. In: QuPuG, 2(1), S. 72–81
Rodriguez-Diaz, Manuel, Rodriguez-Voltes, Crina Isabel und Rodriguez-Voltes, Ana Christina (2018): Gap Analysis of the Online Reputation, in Sustainibility 2018
Ryan, Assumpta A./Scullion, Hugh F. (2000): Nursing home placement: an exploration of the experiences of family carers. In: Journal of Advanced nursing. 32(5), S. 1187-1195.
Sommerhalder, Kathrin/Gugler, Eliane/Conca, Antoinette/Bernet, Madeleine/Bernet, Niklaus/Serdaly, Christine/Hahn, Sabine (2015): Lebens- und Pflegequalität im Pflegeheim – Beschreibende Ergebnisse der Befragung von Bewohnerinnen und Bewohnern in Pflegeheimen in der Schweiz. Residents’ Perspectives of Living in Nursing Homes in Switzerland (RESPONS)