Tierversuche zu ersetzen, reduzieren und verbessern – dies sind die Ziele des 3R-Prinzips. Wo möglich, werden Alternativen für das Testen von Forschungshypothesen, Medikamenten und Behandlungsmethoden gesucht, die Anzahl Versuchstiere reduziert oder die Haltungs- und Versuchsbedingungen der Tiere verbessert. «Die UZH fordert in ihrer Policy zur Forschung mit Tieren die konsequente Anwendung des 3R-Prinzips», sagt Elisabeth Stark, Prorektorin Forschung. So werden an der Universität Zürich zum Beispiel Versuchsmäuse vermehrt in Plastiktunneln transportiert, statt sie wie früher an der Schwanzwurzel zu heben. «Dies kommt ihrem natürlichen Verhalten näher und verursacht weniger Stress», weiss Paulin Jirkof, 3R-Koordinatorin an der Universität Zürich und nennt damit ein Beispiel für Refinement, eines der 3R-Prinzipien, deren Ziel die Reduktion des Tierleids in der biomedizinischen Forschung ist. Die anderen zwei Rs stehen für Replacement und Reduction. Ersetzt werden können die Versuchstiere beispielsweise durch Computersimulationen oder Organoide, also organähnliche, im Labor gezüchtete Zellkulturen. Unter Reduction versteht man nicht bloss die Reduktion von Tierversuchen, sondern auch Methoden, die den Informationsgewinn eines Versuchs mit der gleichen Anzahl Versuchstiere erhöhen können.
Jirkof setzt sich für die Stärkung des 3R-Prinzips in der Forschung und der Lehre an der Universität Zürich ein. In den letzten Jahrzehnten habe das 3R-Prinzip einen grossen Einfluss gehabt, erzählt die 3R-Koordinatorin. «Das Bewusstsein hat sich verändert.» Seit den 1980er-Jahren sei deshalb die Anzahl Versuchstiere gesunken. Angehörige der Universität Zürich, die ausserordentliche Leistungen für den Ersatz, die Reduktion und die Verbesserung von Tierversuchen erbracht haben, werden nun erstmals mit dem 3R-Award gefördert. «Es ist sehr wichtig, Forschende wertzuschätzen, die sich aktiv für das 3R-Prinzip einsetzen», findet Jirkof. «Wir wollen zeigen, dass es an der Universität Zürich viele Bemühungen gibt, Tierversuche zu ersetzen, zu reduzieren und zu verbessern.» Die ersten Gewinner:innen des mit 5000 Franken dotierten Preises sind Giuseppe Esposito und Melanie Generali.
Wie Plazenten Ratten ersetzen
Giuseppe Esposito gelang es mit seinen mikrochirurgischen Kursen die Ausbildung von Chirurg:innen zu revolutionieren. «Viele benötigte Fertigkeiten können trainiert werden, ohne auf Tiere zurückgreifen zu müssen», erklärt der leitende Arzt der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsspitals Zürich und Direktor des Zurich Microsurgery Labs. Das Training in der Mikrochirurgie wurde zuvor an Tieren, meist an Ratten oder Kaninchen, durchgeführt. Mit dem Plazentamodell wurde die Verwendung von Versuchstieren überflüssig.
«Dank der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit der Klinik für Geburtshilfe stehen ausreichend Plazenten zur Verfügung, die sonst nicht weiterverwendet werden könnten», erläutert Esposito. «Durch ihre zahlreichen Gefässe unterschiedlichster Grösse bieten Plazenten einen einzigartigen Vorteil für das Training». Im Modell, so der Neurochirurg, können die Verhältnisse während einer Operation gut simuliert werden.
Giuseppe Esposito wie auch Luca Regli, Direktor der Klinik für Neurochirurgie, sind begeistert vom Erfolg des Plazentamodells. Seit der Einführung des Modells habe sich die Zahl der Kursteilnehmer:innen vervielfacht. Die Rückmeldungen seien sehr positiv und für die Kurse gebe es eine lange Warteliste mit internationalen Teilnehmer:innen.
Schweizweit einzigartige Forschungseinrichtung
Auch induzierte pluripotente Stammzellen, kurz iPSC, können in manchen Fällen Versuchstiere in der biomedizinischen Forschung ersetzen. Melanie Generali hat die iPSC Core Facility (iPSCore) am Institut für Regenerative Medizin (IREM) der Universität Zürich gegründet, die als schweizweit einzigartige Forschungseinrichtung Forscher:innen bei der Herstellung von und Arbeit mit iPSC unterstützt.
«Als ich angefangen habe, mit iPSC zu forschen, hiess es immer, diese Zellen könne man in alles differenzieren. Jetzt sehe ich: Das funktioniert wirklich!» So können aus beispielsweise einer Haut- oder Haarzelle einer Person eine Vielzahl an Zellen wie Neuronen oder Makrophagen gezüchtet werden. Anschliessend können diese als 3D-Zellkulturen, zum Beispiel in Form von Organoiden, für Medikamententests genutzt werden, oder um die Entwicklung von seltenen Krankheiten zu erforschen. Dies macht iPSC zur vielversprechenden Alternative zu Tierversuchen und motiviert Generali weiterzuforschen: «Ich will aufzeigen, dass Forschung von guter Qualität ohne Tierversuche möglich ist».
Die Gründerin der iPSCore setzt sich auch ausserhalb des Labors für die Förderung ihres Forschungsgebiets ein. «Ich finde es extrem wichtig, mein Wissen an Nachwuchsforschende weiterzugeben und die Anwendung von iPSC zu fördern.» Ausserdem vertritt sie die Schweiz bei CorEuStem, dem europäischen Netzwerk für Stammzellenforschungsinstitutionen.
«Erfolge im 3R-Bereich sichtbar machen»
Für die Vergabe des 3R-Awards war nicht bloss die wissenschaftliche Qualität der Projekte ausschlaggebend: «Auch die Implementierung und Weitergabe von Wissen und neuen Methoden ist extrem wichtig», erläutert die 3R-Koordinatorin Jirkof. Für die Wahl der Gewinner:innen sei somit auch ihr Engagement in der Lehre, Weiterbildung und Öffentlichkeitsarbeit berücksichtigt worden. Melanie Generali erhalte unter anderem den 3R-Award, da die iPSCore von wesentlicher Bedeutung für viele Forscher:innen ist, sagt Jirkof. «Giuseppe Esposito wiederum zeigt, wie Versuchstiere in seinem Kurs zu hundert Prozent ersetzt werden können.» Was der Preis den Gewinner:innen bringt? «Der UZH 3R-Award soll die Bestrebungen und Erfolge der UZH-Angehörigen im 3R-Bereich honorieren und sichtbar machen», hofft die Prorektorin Forschung Elisabeth Stark. Fest steht: Mit beiden Projekten könnten auch in Zukunft zahlreiche Tierversuche ersetzt werden.