«Wir sind beeindruckt von der liebevollen und aufopferungsvollen Arbeit, die die Pflege- und Betreuungskräfte täglich in Pflegeheimen leisten. Diese Arbeit ist aber für die Angehörigen oft unsichtbar. Das wollten wir ändern», erläutert Jasper Böckel, Mit-Gründer von myo über den Hintergrund der Idee des Start-ups. myo ist abgeleitet von Myosotis, der lateinische Name für Vergiss-Mein-Nicht.
Zusammen mit Felix Kuna, dem Mit-Gründer von myo, absolvierte Jasper Böckel im Jahr 2017 ein Praktikum in einem Pflegeheim im Berlin-Steglitz. Dort erlebten beide, wie liebevoll und fürsorglich man sich um die Bewohner kümmert. Gleichzeit haben sie bemerkt, wie wenig die Aussenwelt davon mitbekommt. «Wir haben während unseres Praktikums mit ein paar Bewohnenden der Demenzstation einen Ausflug in ein Museum gemacht. Dort haben wir eine Ausstellung besucht, danach gab es noch Kaffee und Kuchen im Museum und zurück im Pflegeheim wurde das Mittagessen gereicht. Man konnte gut sehen, wie gut der Tapetenwechsel den Bewohnenden getan hatte. Es war wirklich ein rundum schöner Vormittag.» Am selben Tag, so Felix Kuna, sei dann die Tochter einer Bewohnerin vorbeigekommen und habe ihre Mutter, die bei dem Ausflug dabei war, gefragt, was sie heute erlebt habe. Die Mutter antwortete daraufhin, dass sie heute noch gar nichts gemacht habe und gegessen habe sie auch noch nicht. «Die Tochter war natürlich aufgebracht und glaubte mir nicht, als ich versuchte zu erklären, dass ihre Mutter einen schönen Tag verbracht hatte. Sie kannte mich als neuen Praktikanten ja auch nicht, warum sollte sie mir also mehr glauben als ihrer Mutter?» Nachdem Jasper Böckel und Felix Kuna sich bei anderen Mitarbeitenden erkundigt hatten, fanden sie heraus, dass solche Situationen immer wieder vorkommen und viele Angehörige nicht wüssten, was alles im Pflegeheim geboten wird. Diese Erkenntnis löste bei den beiden den Wunsch aus, eine Lösung für dieses Problem zu finden. Wenn die Angehörigen zum Beispiel Fotos von solchen Angeboten bekommen würde, so der Gedanke der beiden, dann könnten mit dieser einfachen Lösung viele Missverständnisse und vor allem Misstrauen gegenüber der Pflege abgebaut werden. So entstand die Idee der myo-App.
Transparenz für die Angehörigen
Mithilfe dieser App können Pflege- und Betreuungskräfte Bilder, Videos, Sprachnachrichten und kurze Texte direkt auf das Smartphone eines Angehörigen schicken. Die Angehörigen können dann in Form von Kommentaren darauf reagieren. «Viele Angehörige machen sich Sorgen, wie es den Bewohnern im Heim geht», so Jasper Böckel. «Viele haben ein schlechtes Gewissen, vor allem, wenn sie weit entfernt wohnen und nicht so oft im Heim vorbeikommen können. Dadurch kommt es immer wieder zu Missverständnissen und sogar Konflikten zwischen den Angehörigen und den Mitarbeitenden im Pflegeheim.» Hier soll myo helfen und die Kommunikation zwischen Pflege- und Betreuungskräften und Angehörigen unterstützen. Die App soll dabei nicht den persönlichen Kontakt ersetzen, zudem werden sensible Themen meist nicht über die App kommuniziert.
Steigerung der Arbeitgeber-Attraktivität
Die Nutzung einer App für die Kommunikation mit Angehörigen stellt eine Neuheit im Pflegemarkt dar und ist eine innovative Idee, die die Attraktivität eines Arbeitgebers für neues Personal steigern kann. Der Fachkräftemangel in der Pflege ist ein bekanntes Problem und die myo-App gibt Pflegeeinrichtungen die Möglichkeit sich von anderen Einrichtungen abzuheben. «Neue Mitarbeitende und Auszubildende in der Pflege nutzen im Alltag ihr Smartphone jeden Tag und ein Leben ohne das Smartphone ist nicht mehr denkbar. Wieso das Smartphone also nicht auch in die Arbeit einbinden und die Mitarbeitenden damit ihre wichtige Arbeit nach aussen tragen lassen?», so Jasper Böckel. So bekämen sie die Möglichkeit aufzuzeigen, wie die Arbeit in der Pflege wirklich aussieht und den Ruf der Einrichtung, aber auch der Pflege insgesamt, positiv zu beeinflussen und den Beruf der Pflege attraktiver zu machen. Felix Kuna: «Die Kommunikation mit Angehörigen und auch Diskussionen über die Pflege allgemein waren bisher sehr auf Probleme fokussiert, statt auch über schöne Momente zu reden und darüber, was gut läuft.»
Der Ruf, den die Pflege verdient
Die myo-App unterscheidet sich dabei von anderen Messenger-Diensten und Kommunikationsplattformen, da myo keinen Zugriff auf die Inhalte der App hat und die Daten nicht an Dritte verkaufen kann. Dass myo DSGVO-konform arbeitet, wurde bereits von der Firma ePrivacy überprüft und bestätigt. Eine ISO-27001-Zertifizierung zum Thema Informationssicherheit wird zurzeit durchgeführt.
Die myo-App wird bereits in 12 Pflegeeinrichtungen in Deutschland genutzt, und es kommen immer mehr Einrichtungen hinzu, die ihre Angehörigenkommunikation verändern und die myo-App ausprobieren wollen. «Man merkt, dass der Wunsch nach innovativen Ideen vor allem im Zusammenhang mit der fortschreitenden Digitalisierung auch langsam im Pflegemarkt ankommt. Dabei freuen wir uns, zu sehen, dass neben der stationären Altenpflege, aus der wir ja ursprünglich kommen, auch andere Einrichtungen, wie etwa Behinderteneinrichtungen, einen Nutzen für myo sehen. Dadurch bekommen wir die spannende Möglichkeit auch in andere Bereiche in weit gefassten Pflegemarkt einsteigen zu können», sagt Jasper Böckel. «Wir sind stolz darauf, unseren Teil zu einer besseren und fortschrittlicheren Pflege beizutragen und Einrichtungen dabei zu unterstützen, ihre gute Arbeit mit der Welt zu teilen und zu dem Ruf zu verhelfen, den die Pflege verdient.»
Bald könnte die App auch Mitarbeitern und Angehörigen in Alters- und Pflegeheimen in der Schweiz zur Verfügung stehen – das myo-Team bereitet aktuell den Markteintritt hierzulande vor und ist auf der Suche nach Pflegeheimen als mögliche Partner.