Während der Krise hat es sich gezeigt, dass eine gut funktionierende Informationsbeschaffung zentral ist. Der Schlüssel für ein erfolgreiches Krisen- und Katastrophenmanagement ist aus Sicht von H+, dass kontinuierlich aktuelle und zuverlässige Informationen erfasst werden können beziehungsweise verfügbar sind. Leider hat zu Beginn der Krise kein Informationssystem existiert, wie es im Art. 60 «Informationssystem» des Epidemiengesetzes (EpidG) verlangt wird und das durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) betrieben werden sollte. Mit dem Informatik- und Einsatzsystem (IES) des Koordinierten Sanitätsdienstes (KSD) konnten wenigstens nach einigen Wochen, als es voll betriebsfähig war, die Bettenbelegungen und Bettenkapazitäten auf Intensivpflegestationen erfasst werden. Die Behandlungskapazitäten von Covid-19-Patientinnen und -Patienten mit akutem Lungenversagen durften auf keinen Fall überschritten werden. Für die Zukunft müssen die Vollzugsprobleme beim EpidG analysiert und das IES weiterentwickelt werden, so dass darin alle Spitalkapazitäten erfasst werden können. Das Ziel muss ein zentrales, umfassendes und in Krisensituationen sofort einsatzfähiges Informationssystem sein.
Vergütung von behandlungsbezogenen Mehrleistungen und Entschädigung von angeordneten Massnahmen durch Kantone und Bund
Die Spitäler und Klinken haben aufgrund der Pandemie drei Arten von finanziellen Schäden erlitten:
- Ertragsausfälle aufgrund des bundesrätlichen Verbots von elektiven Eingriffen während 42 Tagen
- Mehraufwand aufgrund der durch die Kantone angeordneten Vorhalteleistungen –
- es mussten zusätzliche Abklärungs- und Behandlungskapazitäten bereitgestellt werden
- Behandlungsbezogene Mehrkosten wegen Hygiene-und Schutzmassnahmen bei Covid-19-Patienten und Nicht-Covid-19-Patienten zur Vermeidung
- einer Ansteckung mit SARS-CoV-2
Die Ertragsausfälle machen rund 80 Prozent des finanziellen Gesamtschadens aus, der für die Schweizer Spitäler und Kliniken bis Ende 2020 auf 1.9 bis 2.7 Milliarden Franken geschätzt wird. Es bedarf somit dringender Klärungsbedarf über die gesetzeskonforme Kostenverteilung. Deshalb hat H+ Bundesrat Alain Berset ersucht, so rasch als möglich ein Gipfeltreffen mit allen Akteuren des Gesundheitswesens einzuberufen. Weiter müssen sich die Tarifpartner rasch einigen, wie die behandlungsbezogenen Mehrkosten tarifiert werden. Und die Frage muss geklärt werden, ob der Bund diejenigen Ertragsausfälle entschädigen muss, die aufgrund des von ihm angeordneten Behandlungsverbots von elektiven Eingriffen entstanden sind.
Zusammenarbeit der Institutionen und Überarbeitung des Pandemieplans
Die Corona-Krise hat Kooperationsprobleme aufgezeigt zwischen Bundesstellen, zwischen Bund und Kantonen sowie zwischen zivilen und militärischen Institutionen. Gerade die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen ist nicht immer klar gewesen. Die Zusammenarbeit zwischen Spitälern und ihren kantonalen Führungsstäben hat in der Regel sehr gut funktioniert und Kooperationen zwischen öffentlichen und privaten Institutionen haben sich als sehr wichtig erwiesen.
Auch sind die empfohlenen Lagerbestände an Masken und Hygienematerial nicht vorhanden gewesen. Die Ursachen dafür sind aus Sicht von H+ in den lückenhaften gesetzlichen Grundlagen sowie den Vollzugsproblemen bei EpidG und Pandemieplan zu orten.
Es gilt also, die Gesetzeslücken zu schliessen und krisentaugliche gesetzliche Grundlagen zu schaffen. Der Pandemieplan muss rasch und umfassend überarbeitet werden. Lagerbestände mit Masken und Hygienematerial sollten aufgestockt und obligatorisch werden, insbesondere für die Belieferung von Spitälern und Heimen. Schliesslich sind die Aufgaben der einzelnen Institutionen besser zu definieren und die Koordination zu verbessern.
Umstrittene KVV-Revision 1 Planungskriterien und Tarifermittlung
Aufgrund der Corona-Krise sind die notwendigen Kapazitäten und somit die Spitallandschaft Schweiz vermehrt im Fokus gewesen. Die Spitäler werden in den ausserordentlichen Zeiten zu Recht als unentbehrliche Leistungserbringer wahrgenommen – sie haben mit grossem Einsatz die nötigen Vorkehrungen getroffen, um ihren Beitrag zur Eindämmung der Pandemie zu leisten. Auch aufgrund dieser intensiven Arbeiten und der neu lancierten Diskussion über die Schweizer Spitalstrukturen haben die Verbände der Leistungserbringer und die GDK beim Bundesrat interveniert, damit die Vernehmlassungsfrist für die Revision der Krankenversicherungsverordnung KVV zu Planungskriterien und Tarifermittlung verlängert wird. Der Bundesrat hat am 6. April 2020 die Vernehmlassungsfrist bis zum 12. August 2020 verlängert. H+ betrachtet die Frist nach wie vor als viel zu kurz bemessen. Gerade bei umfassenden und einschneidenden Verordnungsänderungen, wie sie hier zweifellos vorliegen, wäre ein grosszügiger Aufschub angezeigt gewesen.
In der Revision fordert der Bundesrat das Benchmarking mit «Einheitsbaserate», obwohl das Bundesverwaltungsgericht dieses 2019 in einem Urteil
als «gravierend verzerrt» verworfen hat. Gemäss eines von H+ in Auftrag gegebenen juristischen Gutachtens führten eine «Einheitsbaserate» zu einem landesweiten Spitalsterben und zu höheren Kosten in den Kantonen. 120 Spitalstandorte müssten schliessen, was zu einem Stellenabbau von 10 000 Spitalangestellten führen würde. Neben der Gefährdung der Gesundheitsversorgung, verstösst die Verordnung gegen Verfassungsrecht und enthält Bestimmungen mit Gesetzes-Charakter ohne vom Parlament verabschiedete Grundlagen. Nach Ansicht von H+ umgeht der Bund damit das Parlament und das Stimmvolk mit politischen Zielen, die demokratisch nicht legitimiert sind. Ausserdem nimmt der Bundesrat den Tarifpartnern den Grundsatz der Tarifautonomie aus der Hand und verunmöglicht so das Aushandeln sachgerechter und kostendeckender Tarife.
Doch auch unabhängig von der Corona-Pandemie müssen sich Bund und Kantone die Frage stellen, welche Versorgung es braucht. Dabei sollten sie
jedoch nicht den Effizienzmassstab anlegen. Er ist nicht das richtige Mittel, um zu bestimmen, welche Art von medizinischer Versorgung es in den verschiedenen Landesteilen braucht.