Ambulant vor stationär als Eigengoal?


Mehr Spitex-Leistungen könnten zwar das Kostenwachstum in der Alterspflege bremsen, würden jedoch den Ausbildungsbedarf in der Schweiz und Rekrutierungen aus dem Ausland massiv erhöhen. Nebst einer Erhöhung des Beschäftigungsgrads in Spitex-Organisationen braucht es eine Optimierung der gesamten Pflegekette.


Der durchschnittliche Beschäftigungsgrad liegt in Schweizer Spitex-Organisationen deutlich tiefer als in Pflegeheimen. Eine Stunde Behandlung zu Hause statt im Heim bedingt somit die Rekrutierung von mehr Pflegefachpersonen. Führt das politische Credo «ambulant vor stationär» in der Alterspflege zu einer Zuspitzung des Fachkräftemangels? Mit der Alterung der Gesellschaft wird die Optimierung der ganzen Alterspflegeorganisation – von daheim bis zum Heim – nötiger denn je.

Doch wann sollten Patienten zu Hause, wann in Pflegeheimen gepflegt werden? Gemäss Studien der Spitex Schweiz und des Schweizer Gesundheitsobservatoriums Obsan ist die Behandlung durch Spitex günstiger für Personen, die weniger als 60 Minuten Pflege pro Tag benötigen. Hingegen ist die Pflege in einem Heim, inklusive Betreuung und Hotellerie, ab einem täglichen Pflegebedarf von 120 Minuten finanziell sinnvoller. Dazwischen liegt ein grauer Bereich, je nach Krankheitsbild, Wohnsituation und Ressourcen im persönlichen Umfeld. Ambulante und stationäre Angebote sind also komplementär. Leichtpflegebedürftige Personen sollten zu Hause, in betreuten Wohnungen oder in Tagesstrukturen, die Schwerpflegebedürftigen hingegen in Heimen gepflegt werden. Es braucht eine Strategie des «ambulant mit stationär» statt «vor stationär». Natürlich sollte dabei jeder Fall stets individuell betrachtet werden. Als Orientierung für die Versorgungsorganisation eines ganzen Kantons oder einer Gemeinde sind jedoch solche Richtwerte sinnvoll. Von dieser optimalen Aufstellung sind wir noch weit entfernt. 30 Prozent der Bewohner in Schweizer Alters- und Pflegeheimen benötigten 2014 weniger als 60 Minuten Pflege pro Tag (AG 35%, ZH 39%, SH 42%, GL 49%). Viele dieser Bewohner könnten zu Hause mit Hilfe von Spitex-Diensten gepflegt werden.

Verschärfung des Fachkräftemangels?
Während die ambulante Behandlung durch Spitex von Leichtpflegebedürftigen dem Wunsch Vieler entspräche und finanziell sinnvoll wäre, würde sie allerdings zu einer Verschärfung des Fachkräftemangels führen. Aufgrund der Anreisewege braucht es für die Erbringung einer Pflegestunde zu Hause nämlich mehr Personal als für die gleiche Stunde im Pflegeheim. Gemäss offiziellen Statistiken konnten 2015 die Spitex-Organisationen 35 Prozent weniger Behandlungsstunden pro Vollzeitstelle verrechnen als die Pflegheime. Zudem sind die Beschäftigungsgrade in Spitex-Organisationen und Pflegeheimen sehr unterschiedlich. Während in Heimen 2015 für fünf Vollzeitstellen sieben Personen angestellt waren, waren es im Spitex-Bereich zwölf! Die Behandlung aller leichtpflegebedürftigen Heimbewohner zu Hause statt im Heim würde allein aufgrund der unterschiedlichen Beschäftigungsgrade einen zusätzlichen Rekrutierungsbedarf von über 4000 Pflegefachpersonen bedingen. Berücksichtigt man zudem die erwähnten Produktivitätsunterschiede, resultiert ein zusätzlicher Personalbedarf von ca. 2400 Vollzeitstellen beziehungsweise rund 10 000 (Teilzeit-) Angestellten. Dieser Rekrutierungsbedarf käme zusätzlich zum vom Obsan projizierten Personalbedarf bis 2030 infolge der Alterung der Gesellschaft von knapp 19 000 Personen bei Spitex-Organisationen beziehungsweise 28 000 Personen in Pflegeheimen.

Den Beschäftigungsgrad erhöhen
Will man trotz ambulanter Behandlung leichtpflegebedürftiger Heimbewohner die Gesamtzahl der Pflegefachpersonen konstant halten, wäre die Erhöhung des Beschäftigungsrades in Spitex-Organisationen von durchschnittlich 43 Prozent (2015) auf ca. 57 Prozent zwingend. Eine solche Erhöhung des Beschäftigungsgrads ist sportlich, aber nicht undenkbar. Im Kanton Genf beträgt zum Beispiel das durchschnittliche Arbeitspensum in Spitex-Organisationen bereits 63 Prozent. In Uri, im Tessin und im Jura sind es 54 Prozent und mehr. Hingegen beträgt es weniger als 33 Prozent in den Kantonen Aargau, Baselland und Schaffhausen.

Eine Erhöhung des Beschäftigungsgrads kann jedoch nicht verordnet werden. Tiefe Arbeitspensen ermöglichen Spitex-Organisationen mehr Flexibilität – es ist oft einfacher, eine Stellvertretung für eine 30-Prozent-Stelle als für eine Vollzeitstelle zu organisieren. Sie helfen auch, Kontinuität in der Kundenbetreuung zu sichern, indem viel Personal am Morgen früh einsatzbereit ist, jedoch durch den Tag nicht weiter beschäftigt werden muss.

Tiefe Pensen spiegeln aber auch die Präferenzen und Möglichkeiten der Mitarbeiter. Eine bessere Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie sowie finanzielle Anreize, die nach einer Erhöhung des Arbeitspensums auch zu entsprechend mehr Geld in der Haushaltskasse führen, sind wichtige Voraussetzungen dafür. Auf betrieblicher Ebene braucht es mehr Flexibilität und Mitwirkungsmöglichkeit des Personals bei der Gestaltung des Einsatzplans. Politisch wäre ein Abbau von regulatorischen Auflagen bei der familienergänzenden Betreuung nötig, um die Kosten solcher Angebote zu senken. Zudem braucht es einen Übergang zur wahlweisen Individualbesteuerung: Im geltenden System werden die Zweitverdiener – zumeist Frauen – durch die gemeinsame Veranlagung benachteiligt.

Brachliegendes Potenzial
Der von Obsan geschätzte Rekrutierungsbedarf in der Pflege berücksichtigt lediglich die Konsequenzen der Alterung unserer Gesellschaft. In jedem Kanton wird jedoch das Verhältnis zwischen ambulanten und stationären Leistungen als konstant angenommen, mögliche technologische Fortschritte sind nicht berücksichtigt, und die Effizienzunterschiede zwischen den Kantonen bleiben bestehen. Doch gerade letztere sind beträchtlich, wie eine Studie von Avenir Suisse (2016*) aufzeigte. Im Kanton Wallis benötigt man zum Beispiel 40 Prozent weniger Personal pro erbrachte Pflegestunde als im Kanton Schaffhausen. Und der Anteil der Bevölkerung, der professionelle Pflegeleistungen bezieht, variiert um mehr als den Faktor zwei zwischen den Kantonen. Gelänge es, sich im Spitex- wie im Pflegeheimbereich an den besten Kantonen zu orientieren, wäre das Optimierungspotenzial substanziell. Wenn alle Kantone sich mindestens so effizient aufstellen würden wie der Schweizer Durchschnitt, könnte eine Reduktion von 12 000 bis 14 000 Stellen erreicht werden. Niemand müsste jedoch um seinen Job bangen, weil sich bis 2030 bereits ein akutes Personalmanko abzeichnet. Dank der Realisierung des Sparpotenzials wäre lediglich der projizierte Fachkräftemangel entschärft.

Die Qualität der Pflege würde mit diesen Massnahmen nicht beeinträchtigt. Unser Benchmark ist der Schweizer Durchschnitt – und im Durchschnitt ist die Pflege in der Schweiz gut. In einer Umfrage der Universität Basel bei 160 zufällig gewählten Pflegeheimen in allen Landesregionen beurteilen 93 Prozent der 5000 befragten Pflegepersonen die Pflegequalität in Ihrer Institution als gut oder sogar sehr gut. Im Vergleich dazu trifft dies nur bei 80 Prozent des Pflegepersonals in Spitälern zu.

Zusammenfassend: Die Optimierung der Versorgungskette ist kein leichtes Unterfangen. Die Behandlung zu Hause von leichtpflegebedürftigen Personen, die heute in Pflegeheim untergebracht sind, könnte das Kostenwachstum in der Alterspflege zwar bremsen. Ohne Massnahmen, die die Erhöhung des Beschäftigungsgrads in Spitex-Organisationen oder die Realisierung von Optimierungspotenzial entlang der gesamten Pflegekette ermöglichen, wird die Verlagerung in den ambulanten Bereich jedoch den Ausbildungsbedarf von Pflegefachpersonen in Schweizer Hochschulen beziehungsweise den Zwang zur Rekrutierung im Ausland massiv erhöhen.

Dr. Jérôme Cosandey, Forschungsleiter Finanzierbare Sozialpolitik, Avenir Suisse



Best Partner für Kliniken, Spitäler und Heime 3 / 2017

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Bezugsquellenverzeichnis