Mehr als ein Drittel der Schweizer Unternehmen hat 2024 Missstände innerhalb der Organisation oder entlang der Lieferkette verzeichnet. Das zeigt der aktuelle Whistleblowing Report 2025, den die EQS Group gemeinsam mit der Fachhochschule Graubünden erstellt hat. Die Studie basiert auf der Befragung von 2’200 Unternehmen in sieben Ländern, darunter Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Spanien, die Schweiz und die USA.
«Die Studie zeigt, dass Hinweisgebersysteme massgeblich zur Aufklärung von Missständen in Unternehmen und deren Lieferketten beitragen. Unternehmen mit etabliertem Hinweisgebersystem sind eher in der Lage, Schäden zu begrenzen – ein klarer Beleg für die präventive Wirkung dieser Instrumente», sagt Christian Hauser, Projektleiter an der FH Graubünden.
Interne und externe Meldestellen im Vergleich
Die Untersuchung unterscheidet erstmals zwischen Meldestellen für interne Anspruchsgruppen – etwa Mitarbeitende – und Beschwerdestellen für externe Gruppen wie Kunden oder Lieferanten. In der Schweiz verfügen 57 Prozent der Unternehmen über eine interne Meldestelle und 64 Prozent über eine externe Beschwerdestelle.
«Hinweisgebersysteme sind längst nicht mehr nur eine regulatorische Notwendigkeit, sondern strategische Instrumente, um Risiken frühzeitig zu identifizieren und wirtschaftliche Schäden zu begrenzen», betont Achim Weick, Gründer und CEO der EQS Group. «Richtig eingesetzt fördern sie eine Kultur der Offenheit, die das Vertrauen von Mitarbeitenden, Partnern und Kunden nachhaltig stärkt.»
Finanzielle Schäden und Aufklärungsquote
Missstände im Unternehmen oder in der Lieferkette verursachen teils erhebliche finanzielle Schäden: Bei einem Fünftel der Schweizer Unternehmen lagen sie über 95’000 Franken. Gleichzeitig konnten 40 Prozent der Unternehmen mit Hinweisgebersystemen mehr als zwei Drittel dieser Verluste aufdecken – international sogar 50 Prozent.
Über die Hälfte (52 Prozent) der eingegangenen Hinweise wurde als relevant eingestuft. Interne Meldungen bezogen sich besonders auf Themen wie Diversität, Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Datenschutz; externe Beschwerden betrafen vor allem Finanzberichterstattung, geschäftliche Integrität und Menschenrechte.
Anonymität führt nicht zu mehr Missbrauch
Rund zwei Drittel der Schweizer Unternehmen ermöglichen anonyme Meldungen. Der Anteil missbräuchlicher Hinweise liegt mit 11 Prozent deutlich niedriger, als oft befürchtet – und unabhängig davon, ob Anonymität angeboten wird. Damit widerlegt der Report den verbreiteten Vorbehalt, anonyme Hinweisgeber würden häufiger falsche Beschuldigungen äussern.
Künstliche Intelligenz als neues Präventionsinstrument
Neben klassischen Meldewegen – wie E-Mail (79 Prozent), persönliche Gespräche (68 Prozent) oder Telefon (59 Prozent) – gewinnen digitale Plattformen an Bedeutung. 37 Prozent der Schweizer Unternehmen setzen bereits auf webbasierte Hinweisgebersysteme. Zudem nutzen mehr als ein Drittel KI-gestützte Systeme zur Prävention und Aufklärung von Compliance-Verstössen.
Mit 56 Prozent liegen US-Unternehmen beim Einsatz solcher Technologien international vorn, gefolgt von Grossbritannien (53 Prozent). Die Schweiz befindet sich mit 36 Prozent im oberen Mittelfeld – ein Zeichen wachsender Sensibilität für ethisches Verhalten und Transparenz in Wirtschaft und Gesundheitswesen.